Wolfgang Frick, in Ihrem Referat am KMU-Tag sprechen Sie über Ent- scheidungen. Wann haben Sie zuletzt eine Ihrer Entscheidungen bereut?

Wolfgang Frick: Das muss ganz weit zurückliegen, da kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern. Eine Entscheidung kann man nur dann be- reuen, wenn man sie aus einem Unsicherheitsfaktor hinaus getroffen hat.

Dann treffen Sie also nur richtige Entscheidungen?

Nur richtig wäre falsch – ich fälle Entscheidungen bewusster als früher. Entscheidungen sehe ich heute als Optionen. Das braucht auch Kreativität: Wenn zwei Optionen auf der Hand liegen, gibt es vielleicht auch noch eine dritte. Und wenn ich mich dann für eine Option entscheide, also alle Argumente abgewogen habe, dann kann am Ende des Tages ja nur etwas Gescheites herauskommen. (lacht)

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Ich gerate beispielsweise in einen Stau. Soll ich ihn nun umfahren oder aussitzen? Dieser stete Wettlauf mit der Zeit begleitet uns durch den Alltag – ich sollte immer richtig liegen. Doch was ist schon richtig? Es geht viel mehr darum, zu sehen, was im schlimmsten Fall passieren würde, wenn ich jetzt etwas Zeit verlieren würde. Meist nicht viel. Deshalb sage ich auch, dass man Entscheidungen nicht treffen, sondern fällen muss. Treffen klingt so bedrohlich, als ob man immer ins Schwarze treffen müsste.

Wieso tun sich Leute mit Entscheidungen teilweise so schwer?

Täglich fällen wir bis zu 20000 Ent- scheidungen. Viele suchen immer nach dem Optimum und gehen nach dem Gebot: Du sollst nicht falsch entscheiden. Mit diesem Damokles- schwert über dem Haupt machen sie sich das Leben selbst schwer.

Kann man lernen, dieses Entscheidungsmuster abzulegen?

Davon bin ich überzeugt, ja. Wenn man eine gewisse Lockerheit und Distanz entwickelt, kann man die Angst vor den Konsequenzen einer vermeintlichen Fehlentscheidung überwinden. Zudem kann man auch aus Fehlentscheidungen lernen. Nicht in der Vergangenheit verharren, sondern nach vorn schauen. Selbstreflexion ist das beste Trainingslager. Wenn man die eigenen Entscheidungsmuster kennt, geht man irgendwann sehr bewusst an die nächste Entscheidung heran.

Wie können Führungskräfte eines KMU richtige Entscheidungen fällen?

Einerseits mit Vertrauen. Ein KMU be- steht nicht nur aus einer Person. Eine Führungskraft muss Vertrauen in die Mitarbeiter und die Belegschaft ha- ben, dass auch diese Entscheidungen fällen können, und nicht nur der Chef selbst. Der zweite Punkt ist das Übertragen der Verantwortung. Die Führungskraft muss so viel Vertrauen in den Mitarbeiter haben, dass dieser im Moment einer Entscheidung die Verantwortung tragen kann und darf.

Warum ist das Übertragen der Verantwortung ein zentraler Punkt?

Man sollte gerade im KMU-Bereich den Fokus nicht zu fest auf einen Chef legen. Genau deshalb haben viele Unternehmen ein Nachfolgeproblem: Wenn der Chef nicht mehr da ist, dann entsteht ein Vakuum. Und dieses entsteht nur dann nicht, wenn den Mitarbeitern die Entscheidungsverantwortung übertragen wurde.

Was macht aus Ihrer Sicht generell ein erfolgreiches KMU aus?

Das geflügelte Wort «Wertschöpfung durch Wertschätzung» trifft voll und ganz zu. In einem KMU kommt die Wertschätzung aus der Führungsebene viel direkter beim Mitarbeiter an als in einem grossen Konzern. Dies äussert sich dann in einer freundlichen Stimmung beim Personal am Empfang bis hin zum Lastwagenfahrer, der die Waren ausliefert. Das spürt schlussendlich auch der Kunde – und ist zu- frieden. Und ein zufriedener Kunden ist die Hauptsache.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich ein KMU heute konfrontiert?

Die Digitalisierung ist sicher ein gros- ses Thema. Alle reden über Big Data, alles ist online. Viele KMU müssen sich nun entscheiden, in welche Richtung sie den Kompass ausrichten sollen. Ist es nur ein Hype, nur ein Trend oder lohnen sich grosse Investitionen?

Was raten Sie den Unternehmen in einer solchen Situation?

Ich würde dieses Dilemma eher mit Herz und Verstand lösen, statt mit Schweizer Franken. Und mir genug früh Fragen stellen wie: Brauche ich das wirklich? Ist meine Branche wirklich so digitalaffin? Was verspreche ich mir davon? Am Ende des Tages gilt für mich die Formel: Lieber mehr in Blutdruck und Pulsschläge investieren, statt in Bits und Bytes. Wir brauchen Leute aus Fleisch und Blut und keine Algorithmen, welche uns die Entscheidungen abnehmen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung des KMU-Tags ein?

Sehr hoch. Der KMU-Tag ist schon seit Jahren ausverkauft, und auch der Slogan «An keiner Tagung sind sich die Schweizer KMU näher» hat Bestand. Das ist ein starkes Signal. KMU sind eine wesentliche Säule unserer Wirt- schaft.

Auf was freuen Sie sich am KMU-Tag besonders?

Ich freue mich auf spannende Begeg- nungen und die Atmosphäre live vor Ort. Und auch darauf, mit meinem Referat einen kleinen Beitrag zu leisten, der dann hoffentlich zum Gelingen des KMU-Tags beiträgt.

Was wünschen Sie sich für die Schweizer KMU?

Weiterhin die Zuversicht und den Mut für Innovationen und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Und dass man sich der eigenen Stärken besinnt. Denn Jammern macht bekanntlich kei- nen Umsatz.

Interview: Martina Luterbacher

Wolfgang Frick

Der Betriebsökonom Wolfgang Frick ist 1966 in Bludenz geboren und als Geschäftsleiter Marketing bei Spar (Schweiz) tätig. 2013 er- schien sein vielbeachtetes Buch «Patient Marke – Kunst-Fehler im Marketing» und 2016 «Die neue Lust am Entscheiden».