Herr Frick, warum sollte Ihr Buch in der Bibliothek eines jeden Einzelhändlers zu finden sein?

Wolfgang Frick: Aus dem simplen Grund, dass man nicht ohnmächtig wie das Kaninchen vor der Schlange stehen und sagen sollte: „Online macht mich platt.“ Vielmehr sollte sich der Einzelhandel seiner eigenen Stärke besinnen. Jeder Händler muss wissen, warum es ihn genau an diesem Platz schon seit vielen Jahren gibt.

Nach „Patient Marke: Kunstfehler im Marketing: Wie Sie schmerzhafte Fehler vermeiden und Ihre Marke fit bleibt“ und „Die neue Lust am Entscheiden: Wie Sie mit dem täglichen Überangebot an Möglichkeiten besser zurechtkommen“ ist „Online ist schlagbar: Das richtige Konzept und Ihr Laden läuft“ Ihr drittes Buch. Um was geht es in diesem?

Frick: Das Buch versteht sich nicht als Kampfansage. Es ist vielmehr ein Mut-Mach-Buch für den stationären Handel. Es gliedert sich in drei Teile. Wo Online verwundbar ist, damit beschäftigt sich das erste Kapitel des Buches.

Wo ist dies der Fall?

Frick: Der Online-Handel hat mehrere Schwachstellen. Etwa den fehlenden Augenkontakt oder den fehlenden Händedruck. Es gibt keine Verabschiedung oder sofortige Bedürfnisbefriedigung. Es mangelt an Empathie.

Mit welchem Bereich beschäftigt sich der zweite Teil des Buches?

Frick: Der zweite Teil beschäftigt sich mit einem „Survival Tool“ für den gesamten Handel. Er beinhaltet Tipps, damit die Händler – angelehnt an einen bekannten Werbespruch – sagen können: „Dass Sie auch morgen noch kraftvoll verkaufen können.“

Was meinen Sie damit?

Frick: Der Handel muss bissiger werden, sonst hat er ein Problem. Denn nur mit der Strategie „Um 8 Uhr aufsperren und um 18 Uhr zusperren“, ist Online sicher nicht zu schlagen. Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Handel im Jahr 2030.

Wie sieht dieser aus?

Frick: Im ersten Moment klingt das noch weit weg. Aber 2030 ist in elf Jahren. Ich versuche eine Einschätzung, in welche Richtung der Handel gehen wird und wie wir künftig einkaufen werden.

Und welche Richtung ist das?

Frick: Wir werden uns an amerikanische Verhältnisse gewöhnen müssen. Das heißt: Die Geschäfte werden sieben Tage die Woche, 24 Stunden geöffnet sein. Wo das nicht möglich ist, werden wir von Automaten umzingelt. Wir werden noch geschulteres Personal benötigen, welches sich nicht nur über den Verkauf definiert. Dem Kunden soll das Einkaufen so bequem und angenehm wie möglich gemacht werden. Der Verkäufer wird quasi zum sprechenden Wegweiser mit perfekter Produktkenntnis, erklärt und versteht das Produkt. Das Buch beinhaltet einen Quickscan für den stationären Handel.

Was ist das?

Frick: Damit kann das Konzept für das Geschäft einfach und schnell reflektiert werden. Ein Beispiel: Wie sieht das Schaufenster aus? Ist es die vergangenen fünf Monate umgestaltet worden? Wie wirkt der Laden auf Kunden? Habe ich ein Wohlfühlklima? Sind die Mitarbeiter zuvorkommend, werden Kunden begrüßt und verabschiedet? Das sind alles Grundlagen, die vom Personal oft nicht praktiziert werden. Manchmal ist der Kassenbildschirm das einzige strahlende Element in einem Geschäft (lacht).

Fürchten sich Einzelhändler zu Unrecht vor dem Ungetüm Online- Handel?

Es ist eine latente Angst vorhanden, dass das Geschäft in den Online-Handel abwandert. Statt die Hände zu verschränken und sich ohnmächtig dieser Angst hinzugeben, will ich mit dem Buch wachrütteln. Es gibt sicher mindestens eine Möglichkeit, das Beste aus dem bestehenden Geschäft zu machen.

Welches ist denn nun das richtige Konzept für den stationären Handel?

Frick: Es gibt verschiedene Ansätze. Der wichtigste Punkt ist gut informiertes, geschultes, freundliches und höfliches Personal. Denn der, der dem Kunden in die Augen schaut, entscheidet, ob dieser sich wohl-, angesprochen, wertgeschätzt oder ausgegrenzt fühlt. Man muss Naturtalente suchen, die gerne verkaufen, die sich in Szene setzen wollen, die den Kunden unaufdringlich hofieren und die seine Tagesverfassung abschätzen können.

Was sollte noch berücksichtigt werden?

Beispielsweise sollte darauf geachtet werden, wie die Ware angeordnet ist. Passen die Öffnungszeiten zu meinen Produkten und Kunden. Wo kann ich den Online-Handel kopieren: „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, kauften auch ...“. Oder verschiedene Preisklassen anbieten bis zu „Nur noch drei Stück am Lager“. Der stationäre Handel braucht ein neues Selbstbewusstsein.

Weshalb?

Frick: Letztlich, um überleben zu können. Für vermehrtes und neues Selbstbewusstsein hat der stationäre Handel auch allen Grund; schließlich hat er starke Argumente, die Online nicht bieten kann: ein emotionales Kundenerlebnis, sofortige Bedürfnisbefriedigung oder Ware zum „begreifen“. Zusätzlich könnten dem Kunden Zeit oder Wege erspart, ihm die Kaufentscheidung abgenommen oder leichter gemacht werden. Manche Kunden schätzen auch, wenn sie mit Namen angesprochen werden oder der Verkäufer behilflich ist. Das sind alles Tugenden, die der Handel früher aus dem Effeff beherrscht hat. 

Kunden mit Namen ansprechen dürfte heutzutage in großen Geschäften oder Supermärkten kaum möglich sein.

Frick: Oft wird mit Bankomatoder Kreditkarte bezahlt. Auf dieser steht der Name, und der Kunde kann mit Namen verabschiedet werden. Muss ist es keines – aber eine persönliche Geste. Es ist praktisch, von der Couch aus seine Einkäufe zu erledigen.

Warum sollten Kunden die Mühe auf sich nehmen, ins Geschäft zu gehen?

Frick: Viele Händler sind sich ihrer Stärken zu wenig bewusst. Diese Stärken müssen sie ausspielen. Ich kann dem Kunden in die Augen schauen, ihn begrüßen und verabschieden. Ich habe auch die Möglichkeit, auf ihn zu reagieren und auf seine Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. All dessen muss sich der Händler bewusst sein. Er muss versuchen, die Welt des Online- und jene des Offline-Handels miteinander zu verknüpfen. Das Beste aus beiden Welten. 

Müssen vielleicht wieder mehr Warenhäuser entstehen, in welchen verschiedene Branchen unter einem Dach vereint sind?

Frick: Diese Frage ist berechtigt, aber es gibt keine eindeutige Antwort darauf. Meine Prognose ist, dass die Händler viel mehr zusammenarbeiten, sich mehr untereinander vernetzen müssen. Es muss weniger Konkurrenzdenken geben. Klar, das eigene Geschäft ist das wichtigste. Aber der Kunde schätzt eine offene Art von Beratung, zum Beispiel wenn ihn Händler A an Händler B verweist, weil dieser das gewünschte Produkt hat.

Muss es hier auch ein Umdenken beim Kunden geben?

Frick: Es kann nicht schaden. Der Kunde entscheidet mit dem Griff ins Regal oder mit der Wahl seiner Einkaufsquelle maßgeblich, wo Wertschöpfung entsteht. Im ersten Moment ist es der eigene Wohlstand, da der Kunde das Gefühl hat: „Online ist alles billiger, besser und schneller.“ In Wahrheit gefährdet er die örtliche Kaufkraft. Beispielsweise zahlen die großen Online-Händler kaum Steuern oder bezahlen ihre Mitarbeiter schlecht, wie aus der Presse zu entnehmen ist. Diese Punkte müssen kritisch hinterfragt werden. Ist das dem Kunden bewusst, versteht er vielleicht, warum es im stationären Handel manchmal etwas teurer ist.

Was kann Online schlechter als Offline?

Frick: Ein Beispiel sind die Rücksendungen. Passt der gewünschte Artikel nicht, muss ich ihn wieder zurückschicken. Ich muss ein Postamt finden, um das Paket aufgeben zu können. Am Schluss habe ich immer noch nicht das Produkt, welches ich eigentlich möchte. Ich muss also wieder warten. Ein weiterer Schwachpunkt ist ein möglicher Datenmissbrauch. Zudem muss ich ganz konkrete Vorstellungen von dem Produkt haben, welches ich kaufen möchte, denn sonst verliere ich mich in den Weiten des Online-Handels. Für entscheidungsscheue Konsumenten stellt Online einkaufen eher eine sehr große Herausforderung dar.

Welches ist die Achillesferse des Online-Handels?

Frick: Mangelndes Vertrauen und möglicherweise die Angst, dass sie gehackt werden – Stichwort Kundendaten-Missbrauch. Oder dass die Logistik versagt. Das Risiko, irgendwann doch einmal mit einer Lohn- und Steuerharmonisierung konfrontiert zu werden. Gleiche Start-Voraussetzungen wie im Offline-Handel.

Ist der Mangel an geeignetem Personal die Achillesferse des Offline- Handels.

Frick: Das ist in der Tat ein sehr großes Problem. Die Naturtalente müssen zuerst gefunden werden. Die Mitarbeiter sich weiterbilden und gefördert werden. Es muss ihnen auch Verantwortung übertragen werden. Das Personal darf nicht nur einen Job, sondern eine Herausforderung suchen. Schließlich ist es eine anspruchsvolle Tätigkeit, Kunden zu bedienen. Wenn das die Mitarbeiter verstehen, dann bleibt der Umsatz im Laden und geht nicht fremd.